Meine erste Reise aus dem Rucksack 1

DER RUCKSACK, CANCÚN UND TULUM

Zu Weihnachten gab es den großen Wanderrucksack von Deuter. Noch während der Feiertage wurde er sodann mit den nötigsten Utensilien gefüllt: Unterwäsche für sieben Tage, zwei Shorts, fünf T-Shirts, einen Kaputzenpullover, ein besonders dünnes Mikrofaser-Badehandtuch, Rei aus der Tube (einmal in der Woche muss ich meine drei Sachen im Waschbecken des Hostels waschen), Flip-Flops, eine Badehose, eine kleine Reiseapotheke (Medikamente gegen Durchfall, Verstopfung, Schmerztabletten, eine antiseptische Wundsalbe, “Malerone” gegen Malaria und eine weitere Wund- und Heilsalbe) und als echter Nordmann wird abschließend selbstredend der quitschgelbe Friesennerz eingerollt und eingepackt. Gut, es geht in den Sommer Mittelamerikas – aber man kann ja nie wissen, wozu er noch einmal gut sein könnte. Am Körper trage ich die einzige lange Hose, die ich mitnehme und einen Pullover – auf eine Jacke verzichte ich komplett. Und schon geht es ab zum Flughafen.

Kurz nach den Feiertagen im Dezember herrscht ein schieres Chaos an den Flughäfen: Die Flüge sind ohnehin alle recht gut ausgebucht und sofern es schlechtes Wetter gibt, muss mit Verspätungen oder Totalausfällen einzelner Flüge gerechnet werden. Wer zwischen Weihnachten und Sylvester fliegen möchte, sollte vor allem viel Geduld einpacken. Der Start am Bremer Flughafen verlief noch reibungslos, in Paris wurde es dann sehr stressig: Tausende Menschen, tausende hilflose bis verzweifelte Gesichter, die ersten Flüge wurden bereits am frühen Vormittag gestrichen, die Ausschilderungen am Pariser Flughafen sind ohnehin die furchtbarsten der ganzen Welt, zweckmäßig und zeitgemäß sprechen die meisten Franzosen maximal gebrochenes Englisch – natürlich eine brauchbare Sache an einer internationalen Drehscheibe, die Zwischenzeiten der Flüge sind oftmals sehr kurz bemessen (als Tipp empfehle ich mindestens 3 Stunden Aufenthaltszeit in Paris). Aber ich hatte seltsames Glück und rutschte am Flughafen Charles de Gaulle nicht nur recht reibungslos durch die Kontrollen, sondern konnte sogar mit der letzten Maschine nach Cancun, Mexiko, fliegen, die an jenem Tage rausgeschickt wurde. Noch in Paris trank ich über einen Liter Wasser, als Vorbeugung gegen eine drohende Trombose auf der Langstrecke. Im Flugzeug stieg ich dann auf Rotwein um: in kürzester Zeit drei von diesen kleinen Schlumpfflaschen in den Kopf geschraubt und das persönliche Betriebssystem auf Standby runtergefahren. Ich fliege alleine, lese noch ein wenig im Reiseführer “Einsamer Planet” und schlafe dann die überwiegende Zeit des Fluges.

Mexiko. Die Luft ist unglaublich drückend. Ich muss schnell die lange Hose wechseln, denke ich. Den Pullover habe ich bereits während des Fluges abgestreift. Ich bekomme den mexikanischen Stempel von den grimmigen Kollegen des Zolls und bin nach etwa 20 Stunden offiziell angekommen. Ein sehr lang gezogenes und ohrenbetäubendes “El Nikki” erreicht mein Gehör noch in der Flughafenhalle. Ich drehe mich um und sehe Christian, meinen persönlichen Reiseführer. Und gleich noch einmal: “El Nikki.” Nikki werde ich seit meiner frühen Kindheit genannt, dieses “El” hat Christian eines Tages mal autark davor gehängt – “Ein Typ wie du, der braucht auch seinen eigenen Artikel!”, sagte er grinsend. Christian ist ein paar Tage zuvor geflogen und hatte die Lage für uns bereits sondiert. In den ersten zwei Tagen habe ich mich dann vom Jetlag (dieser ist beim Flug in den Osten allerdings härter) erholt und wir haben uns Canún angeguckt. Canún war früher einmal eine riesiger Mangrovenwald, davon ist heute allerdings gar nichts mehr zu sehen. Die Sumpflandschaft wich den unzähligen Badestränden, die wiederum von unzähligen Touristen besucht werden. Wer Lust zu einer langgezogenen Strandparty hat, der ist besonders im März, zur Zeit des amerikanischen Spring Breaks unglaublich gut in Canún aufgehoben, aber dies ist eine ganz andere Geschichte aus einer anderen Zeit.

Den “einsamen Planeten” haben wir uns anders vorgestellt und so folgen wir dem Ruf des Reiseführers weiter in entlegnere Gebiete. Am zweiten Tag in Mexiko stehen wir also skeptisch vor dem gebuchten Mayab-Bus (2. Klasse), der uns nach Tulum bringen soll. “Guck mal, El Nikki, der Busfahrer hat sich für Slicks entschieden,” brach Christian in Gelächter aus und zeigte auf die völlig abgewetzten alten Winterreifen unseres Reisegefährts. Tja, die Welt gehört nur den Mutigen. Die Kopfhörer auf die Ohren gestöpselt und die Augen auf das Meer gerichtet, fuhren wir 129 Kilometer die karibische Küste entlang. Die Sitze eng aneinender gepresst, die Klimaanlage ein Beutel Eiswürfel, der über dem Kopf des Busfahrers hing und ihn tropfend kühlte und die Hühner, sie gackerten wacker. Nein, ich meine keine westlichen Chicas, die fröhlich tratschten. Ich meine Hühner, diese federigen Viecher, die wir vor allem in Form von Nuggets genießen – kurz: Der Komfort an Bord war dermaßen gut, so dass wir uns entschieden, fortan nur noch den 1. Klasse-Bus zu buchen, sofern es einen gäbe. Eine weise Entscheidung.

In Tulum angekommen gingen wir einen sehr staubigen Weg entlang zu den alten Ruinen der Maya. Unsere erste kulturelle Stätte hatten wir erreicht. Zwar handelt es sich in Tulum nur um eine sehr kleine alte Stadt der Maya, dennoch besticht sie durch ihre unglaubliche Lage direkt am Meer. Es gibt sogar einen kleinen Badestrand direkt an den Ruinen. Wichtig für unsere Freunde, die nicht besonders gut mit großen Menschenmengen klar kommen, oder jenen, die kulturelle Stätten ein wenig eingehender betrachten wollen: Gehen Sie so früh wie möglich hin: am Besten direkt bei der morgendlichen Öffnung da sein. Bereits gegen Mittag ist es derartig voll, so dass man vor allem Menschen fotografiert, die man gar nicht auf den Bildern haben will. Fazit von Tulum: Ein absolutes Muss für den kulturellen Freund und ein guter Start, in die wunderbare Welt der Maya einzutauchen. Außerdem kann man gerne ein paar Tage am traumhaften Sandstrand verbringen oder einen Tauchkurs (allerdings ist der Tauchschein in Asien, beispielsweise Thailand, sehr viel günstiger) belegen.

Abends beim Bier auf dem Balkon haben wir dann gleich mal den unverwechselbaren Geruch von Cannabis wahrgenommen. Ein Franzose mit seinen verfilzten Dreadlocks saß auf dem Balkon nebenan und kannte keine Scheu, seinen Joint lässig in aller Öffentlichkeit zu rauchen. Es ist überhaupt kein Problem, in Mexiko an irgendwelche Drogen heranzukommen: Am Strand laufen die Einheimischen ständig auf und ab und wo es früher hieß: “Früchte, frische Früchte” hört man heutzutage ein etwas anderes Angebot: “Marihuana, Kokain, Amphetamin”! Doch hier ist absolute Vorsicht geboten. Mein dringender Rat: Lassen Sie es lieber bleiben! Viele Einheimische haben neben dem Drogenhandel nämlich noch ein zweites Standbein aufgebaut und so gehen sie direkt nach dem Verkauf ihrer Ware zur hiesigen Polizei, um den Käufer zu verraten und so doppelt abzukassieren. Und in Mexiko kommt man bereits ins Gefängnis, wenn man nur ein Bier in der Öffentlichkeit trinkt und dabei erwischt wird. Ich persönlich kann mir schöneres Vorstellen, als mir eine Zelle mit dem 200 Kilo schweren Puto zu teilen, der seinen Haupterwerb durch den Frauenhandel bezieht. Und noch etwas: Während wir in Deutschland den großartigen Luxus genießen, dass man uns in einer Verhandlung vor Gericht die Schuld nachweisen muss, so hat man in Mexiko verwirrenderweise seine Unschuld zu beweisen! Bis dato gilt man als schuldig. Denken Sie mal selbst über die Konsequenzen nach.

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