Valentino Brasilero
Es hieß, sie wäre evangelisch und ich dachte nur, prima: bin ich ja auch! Es passt. Als wir dann anfingen, in Brasilien vor jedem Essen Händchen haltend Gott für unser Mahl zu danken, kamen mir die ersten Zweifel. Dann hieß es, sie würden als gute Evangelen NATÜRLICH kein Schweinefleisch und keinen Fisch ohne Schuppen essen. Ich dachte nur: Gut, Schwein ist nichts für jeden und welcher Fisch hat denn keine Schuppen? Doch als sie mir dann auch noch erklärten, Alkohol würde NATÜRLICH auch gegen die Regeln der evangelischen Kirche verstoßen, hob' ich skeptisch die erste Augenbraue. Als sie mich dann wie des Satans jüngsten Diener beim Öffnen einer Bierdose beäugten fragte ich nur: "Was denn? Bier ist für euch etwa auch Alkohol?"
Schon hob' sich auch die zweite Braue. Nun reichte es. Die Antwort war nicht gut für mich, mein Körper fing an, sich gegen diesen religiösen Unfug zu wehren und so wurde ich des Teufels Advokat. Es war Zeit für eine kleine Rede, schließlich hatten wir Luther auf unserer Seite. Ich erhob mich vor der versammelten brasilianischen Familie und bat Lissandra darum zu übersetzen. 23 Augen betrachteten mich skeptisch - tio Giovane hatte bei einem Arbeitsunfall im Chemiewerk vor 9 Jahren ein Auge verloren. Das war aber eine andere Geschichte.
"Wisst ihr denn überhaupt, was uns evangelische Protestanten von den katholischen Schwestern und Brüdern unterscheidet?"
Mein Zeigefinger schwang sich in die Höhe.
"Dann passt auf: Es war das Jahr 1618 und in Europa hatten wir gerade die düsteren Jahre des Mittelalters überstanden. Seit Zeiten der Römer kontrollierte die katholische Kirche unseren Verstand, unsere Gebräuche - ja, unser ganzes irdischen Leben. Sie entschieden, wir einfaches Volk dürften nicht lesen und müssten darauf vertrauen, was uns von den Priestern aus der Bibel vorgelesen und gesagt wurde. Dann gab es einen Mann: Martin Luther - er erhob sich und trat auf die Seite des einfachen Mannes. Besessen vom Gedanken, das Wort Gottes für jedermann zugänglich zu machen, übersetze er die Bibel quasi über Nacht. Daraufhin brach ein blutiger Konflikt in Europa aus: Katholische Liga gegen Protestantische Union. 30 Jahre kämpften sie gegeneinander. Im Prinzip ging es nur um kleine Auslegungen in der Bibel. Die Katholiken hingen sich hartnäckig an kleinen Einzelheiten auf, die Protestanten gaben mehr Spielraum für Interpretationen: Ist das Abendmahl symbolisch oder tatsächlich Laib und Blut Christi. Gibt es wirklich einen Unterschied zwischen Brot und Bier, sind doch die Zutaten beinahe die selben. 1648 wurde der Konflikt dann mit dem Westfälischen Frieden beendet. Eine neue Konfession war geboren: Eben jener Evangelismus, über den wir hier heute streiten. Und der Erfolg des Ganzen, war es eben, also mal abgesehen von der Gründung eines neuen, liberalen Landes mit dem wagemutigen Namen Holland, dass wir uns fortan aussuchen durften, welcher Konfession wir angehören wollten. Als gute Evangelen beteten wir also fortan auf deutsch und so hieß es:
Vater unser, der du bist im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel,
also auch auf Erden.
Unser tägliches Bier gib uns heute.
Und vergib' uns unsere Nüchternheit,
wie auch wir vergeben den Nüchternen.
Und so weiter und so fort...
Und seit jener Zeit ist es Ausdruck der Freiheit, Bier trinken zu dürfen. Ja, wir sollen sogar Bier trinken. Selbstverständlich in Maßen. Nun kein Bier mehr zu trinken, als Evangelist, wäre quasi ein Rückschritt vor 1648, ein Eingeständnis der Niederlage gegenüber den Katholiken! Und was kommt dann als Nächstes? Also wenn wir den Katholiken wieder erlauben, frei über uns zu bestimmen? Wollt ihr das etwa?"
Die ganze Familie starrte mich fassungslos an und zur Belohnung durfte ich die Nacht bei Nina in der Hütte verbringen.
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Stev'o (Mittwoch, 20 September 2017 15:49)
An die Zeit des Christentum zu denken an dem Jesus mit seinen Jüngern Brot und Wasser teilten, vergassen sie jedoch, dass sie bei Feierlichkeiten Wein tranken und teilten. Die Religion im Namen der Bibel.